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Wissen (Print WAMS)

Aus der Luft gegriffen

Böden sind nach den Ozeanen die größten Speicher für Kohlendioxid auf der Erde. Experten hofften, die Erde könne so den Klimawandel bremsen – doch ist eher das Gegenteil der Fall

Wenn Andreas Möller dem Boden unter seinen Füßen Geheimnisse entlocken will, dann braucht er eine Schaufel. Zwei Meter tiefe Gruben hebt der Geograf dafür aus, klettert hinein, und kann schließlich an einer geraden Wand das Profil des Bodens sehen, die „Horizonte“, wie er die verschiedenen Schichten nennt.

Manche Eigenarten erkennt er dann sofort: Die verschiedenen Farben der Erdschichten etwa, ihre unterschiedlichen Korngrößen, ein paar Regenwürmer. Vieles aber lässt sich nicht mit bloßem Auge erkennen. Deshalb trägt Möller seine sorgfältig gesammelten Bodenproben ins Labor.

Dort, in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, analysiert er sie. Vor allem ein Messwert ist dabei wichtig: der Kohlenstoffgehalt. Landwirte lieben Böden mit einem hohen Kohlenstoffgehalt: Solche Erde speichert mehr Nährstoffe und Wasser, ist also fruchtbarer. Jeder Boden aber setzt einen Teil dieses Kohlenstoffs auch wieder frei, als Kohlendioxid. „Böden sind also gleichzeitig Speicher und Verursacher von Klimagasen“, sagt Möller. Während Kohlenstoff im Boden gut und wichtig ist, möchte man in der Luft aber so wenig Kohlendioxid wie möglich haben. Forscher rätseln deshalb, wie der Boden wohl mit der Zunahme der Treibhausgase umgeht. Die Hoffnung, er könne einfach mehr Kohlenstoff speichern und vielleicht dem Klimawandel sogar entgegenwirken, scheint sich langsam zu zerschlagen: Es sieht eher so aus, als ob der Boden als Katalysator wirkt – und mit vermehrter Freisetzung von Kohlendioxid reagiert.

Die dünne Haut der Erde ist nach den Ozeanen der größte Speicher für Treibhausgase auf der Erde. In den Böden wird etwa zwei- bis dreimal so viel Kohlenstoff wie in der Luft gespeichert – vor allem im Humus, der deswegen auch „Kohlenstoffsenke“ genannt wird. Wie der Kohlenstoff überhaupt in den Boden kommt, erklärt Marion Schrumpf vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie so: Wenn Pflanzen bei der Fotosynthese Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen, geben sie einen Teil davon über ihre Wurzeln in den Boden ab.

Später, wenn die Pflanze stirbt, geht auch ihre organische Masse – samt Kohlenstoff – in den Boden über. Dort zersetzen kleine Mikroorganismen die abgestorbenen Pflanzenteile. Bei diesem Prozess wird der Kohlenstoff dann zum Teil als gasförmiges Kohlendioxid wieder freigesetzt. „So gelangt Kohlenstoff als CO2 wieder zurück in die Atmosphäre“, erklärt Schrumpf, „quasi ein Kreislauf.“ Doch was passiert, wenn die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre zunimmt, und die Pflanzen und damit auch die Böden mehr davon abbekommen? Eine höhere CO2-Konzentration führt zunächst zu einem stärkeren Wachstum der Pflanzen, und diese nehmen mehr Kohlendioxid auf, darin sind sich Forscher weitgehend einig.

Wie aber der Boden mit der höheren Konzentration von Kohlenstoff dann umgeht, das ist noch nicht geklärt. Würde er diesen zusätzlichen Kohlenstoff einfach speichern, wäre das natürlich eine gute Nachricht. In diesem Fall könnte er der Zunahme der Treibhausgase effektiv entgegensteuern.

Doch mittlerweile geben Studien auch Hinweise darauf, dass es alles ganz anders laufen könnte. Möglicherweise lassen dauerhaft steigende Temperaturen infolge erhöhter CO2-Konzentration die kleinen Bodenorganismen aktiver werden, die bei der Zersetzung von abgestorbenem biologischen Materials helfen. Wäre das der Fall, würde damit wiederum der Boden auch deutlich mehr Kohlendioxid freisetzen als zuvor.

Exakt zu bestimmen, wie viel Kohlenstoff gespeichert und wie viel als Kohlendioxid freigesetzt wird, ist sehr schwierig. Denn bislang wissen Experten nicht genau, warum ein Teil des Kohlenstoffs im Boden verbleibt, manchmal für Jahrzehnte bis Jahrtausende, während ein anderer schnell in Kohlendioxid umgewandelt wird. Außerdem hängt die Nettosumme an freigesetztem CO2 auch von der Nutzung des Bodens ab. So wissen Forscher aus Dauerbeobachtungen, dass Wälder und Grünland meist Kohlenstoffsenken sind, also mehr Kohlenstoff speichern als andere Böden. „Landwirtschaftlich genutzte Flächen wie Äcker dagegen sind überwiegend neutral oder Quellen von CO2 und anderen Treibhausgasen“, sagt Marion Schrumpf.

Deshalb, sagt Andreas Möller, sei die Umwandlung von Grünland in Ackerflächen ein Problem. „Das Umbrechen von kohlenstoffreichen Böden zu Feldern führt zu einer sehr schnellen und nachhaltigen Freisetzung von Kohlenstoff und damit auch von CO2“, sagt er.

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Die Rate, mit der aus aufgenommenem Kohlenstoff Kohlendioxid wird, ist also nicht immer gleich – auch wenn das bisher in vielen Klimamodellen so angenommen wird. Amerikanische Forscher der Universität Princeton haben das jetzt in einer Simulation berechnet und gleichzeitig getestet, was passieren könnte, wenn die Kohlendioxid-Konzentration in der Luft dauerhaft steigt. Mit seinen Kollegen hat der Physiker Benjamin Sulman jene Mikroprozesse, die zur Freisetzung von CO2 im Boden führen, in einem Computermodell berechnet.

Bei einem Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre wachsen in dieser Simulation die Pflanzen stärker, nehmen also mehr Kohlenstoff auf. Gleichzeitig aber steigt wie befürchtet die Aktivität der Bodenorganismen, und so wird vom Boden weitaus mehr Kohlendioxid freigesetzt als zuvor, berichten sie in „Nature Climate Change“. Dieser Modellberechnung zufolge würde der Boden also langfristig und übergreifend betrachtet überproportional mehr Kohlendioxid freisetzen, als er speichern kann. Der Boden wäre dann eher ein Katalysator für den Klimawandel als ein Gegenspieler. Allerdings, betonen die Forscher, hänge die Summe an freigesetztem Kohlendioxid neben der Nutzung auch davon ab, wie die Bodenbeschaffenheit ist. Gebe es etwa viele Minerale im Boden, so würde doch wieder mehr Kohlenstoff gebunden werden als in anderen.

Ein einzelnes Modell wie das von Sulman kann also die große Frage nach der Rolle der Böden im Klimawandel nicht abschließend beantworten, zu komplex sind die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Kohlenstoffkreislauf, und noch viel zu wenig verstanden. Aber die Computersimulationen können helfen, bestehende Klimamodelle genauer zu machen – etwa jene, auf denen die vom Weltklimarat regelmäßig herausgebrachten Sachstandsberichte basieren.

„Viele Klimamodelle behandeln den Boden bisher als einen großen Topf, in dem sich Kohlenstoff aus der Atmosphäre sammelt und mit der immer gleichen fest definierten Rate wieder herauskommt“, kritisiert Sulman. „Das Ergebnis unserer Studie zeigt aber, dass im Boden sehr viel mehr passiert, was für Klimamodelle relevant ist. Denn der Boden ist anscheinend nicht so reaktionsträge, wie wir annehmen.“

Das klingt noch nicht nach dem ganz großen Erfolg, aber es ist ein wichtiger Schritt. Klar ist also nun: Der Boden als Kohlenstoffspeicher ist keine Konstante, sondern reagiert äußerst dynamisch auf veränderte Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre.

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