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Üppiges Grün. Für gutes Wachstum brauchen Pflanzen Phosphor.

© M. Rehle/REUTERS

Phosphat: Dünger aus der Kläranlage

Pflanzen brauchen Phosphat: Das könnte künftig vermehrt aus Klärschlamm gewonnen werden. Forscher der Uni Hohenheim kochen dazu den Abfall bei 180 Grad auf.

Wenn die jungen Getreidepflanzen nur noch spärlich wachsen und sich die Blätter in tiefes Rot färben, kann der Landwirt keine großen Erträge mehr erhoffen. Die Diagnose: Phosphormangel. Das Element ist lebenswichtig für Pflanze, Tier und Mensch. Es befindet sich in jeder lebenden Zelle und verantwortet dort den Energietransfer. Jährlich werden weltweit Millionen Tonnen Phosphordünger auf Feldern verteilt. Denn ohne Phosphor, das erkannte schon Justus von Liebig vor 150 Jahren, ist das Pflanzenwachstum gefährdet. Der Chemiker gilt als Pionier, hat er doch das „Superphosphat“ entwickelt, die Basis des heutigen Mineraldüngers.

Die Nachfrage wächst stetig, nicht nur für Äcker. Auch Pflanzen auf Weideland benötigen Phosphor. Doch der wird oftmals entzogen, indem Gras an Tiere verfüttert wird, deren Dung aber als Dünger auf Äckern landet. Viele Weideflächen, insbesondere in Asien, haben ein negatives Phosphorbudget, berichten Martin van Ittersum von der Universität Wageningen und Kollegen im Fachmagazin „Nature Communications“. Um ihre Produktivität zu erhalten und damit den Nahrungsmittelbedarf zu sichern, müssen Weiden viermal mehr Dünger erhalten als bisher, schreiben sie. Das entspricht 24 Millionen Tonnen im Jahr.

Nach der Hitzebehandlung bleibt schwarze "Biokohle"

Gleichzeitig aber schrumpfen die mineralischen Phosphatreserven. Um den Bedarf zu decken – und unerwünschte Algenblüten durch Überdüngung zu vermeiden – fordern Wissenschaftler ein nachhaltiges Phosphormanagement. Dazu gehört das Recycling, wie es beispielsweise Andrea Kruse von der Universität Hohenheim und ihre Kollegen verfolgen. Sie haben eine Methode entwickelt, um aus Klärschlamm wertvollen Phosphordünger zu gewinnen. Bei der „hydrothermalen Karbonisierung“ wird der Klärschlamm unter Druck gesetzt und auf gut 180 Grad Celsius erhitzt. „Dabei werden alle organischen Verbindungen aufgelöst“, erläutert die Chemikerin. Nach der Hitzebehandlung bleibt eine schwarze „Biokohle“ übrig, auf deren Oberfläche sich Phosphat angereichert hat. Dieses wird mit Säure gelöst und anschließend als Magnesium-Ammonium-Phosphat ausgefällt. „Struvit“ wird diese Verbindung auch genannt, sie kann direkt als Dünger eingesetzt werden.

Berliner Wasserbetriebe gewinnen ebenfalls Dünger

Die Struvit-Gewinnung ist in der Branche bekannt. Die Berliner Wasserbetriebe haben dafür ein kommerzielles Verfahren entwickelt, den Dünger nennen sie „Berliner Pflanze“. Im Gegensatz zu der Methode aus Hohenheim werden hier in einer speziellen Kläranlage in Waßmannsdorf die Phosphorverbindungen biologisch – und nicht chemisch – mithilfe von Mikroorganismen herausgelöst. Mit dem Verfahren wird das Abwasser von Phosphatsalzen befreit, welche die Kläranlage zuvor immer wieder verstopften. „Der Dünger ist quasi nur ein Nebenprodukt der Abwasserreinigung“, sagt Gero Becker von der Universität Hohenheim. „Der im Klärschlamm fixierte Phosphor wird nicht angetastet.“

Das Verfahren aus Baden-Württemberg ist hier effizienter. Etwa 80 Prozent des Phosphats lassen sich damit zurückgewinnen, schätzt Kruse. Zudem gelangen Schwermetalle wie Kupfer und Medikamentenrückstände nicht in den Dünger – sie sind in der Biokohle fixiert. Bis zum praktischen Einsatz, wie bei den Berliner Wasserbetrieben, ist das Verfahren allerdings noch nicht ausgereift. Das soll nun mit einem Industriepartner gelingen, der mit den Hohenheimer Forschern kooperiert.

Claudia Georgi

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